Energie vs. FC Pichangueros

Das Virus besiegt

05. Oktober 2020

Mit einer Willensleistung und nach einem epischen Elfmeterkrimi hat Energie Bitzius am Sonntag das „Schönau-Derby“ gegen den FC Pichangueros hauchdünn für sich entschieden. Zum ersten Mal in der zehnjährigen Vereinsgeschichte gehören die Jungs aus dem Berner Osten zu den vier besten Cupteams.

Von Sebastian Gänger, #9

«24 Penaltys! Milan verpasst wegen epischem Elfer-Krimi den Heimflug aus Portugal», lautete die Schlagzeile am vergangenen Donnerstag auf einem einschlägigen Schweizer Onlineportal. Damals wusste noch niemand, dass diese Dramatik drei Tage später auf der Berner Allmend noch getoppt werden würde. Und Dräyer, leidenschaftlicher Abwehrbolzen und (dienst)ältester Bitzianer, hätte wohl nur wenig darauf gewettet, dass sein zweites Tor in der 17-jährigen Foul-Laufbahn den Pokalknaller entscheiden würde. Solche Geschichten – Floskelalarm! – schreibt nur der Fussball. Doch beginnen wir von vorne.

Der Trainerstuhl wackelte nach der diskussionslosen Niederlage gegen Lok gewaltig. Verschiedene Stimmen aus dem Umfeld der Energie forderten vor allem den Kopf Bühlers, der in den vergangenen Monaten nur noch durch eine überteuerte Reha-Show, ein paar Motivationszeilen vor den Spielen und einige Ablenkungsmanöver aufgefallen war. So stellte er zuerst den neuen FCB-Coach Sforza im teaminternen Gruppenchat bloss – um dann in seiner Funktion als Trainer seinen cuperfahrenen und formstarken Walliser Sturmkontrahenten auf die Bank zu beordern. Der Boulevard tobte: Stellte da einer sein eigenes Ego vor den Dienst der Mannschaft? Die Frage ist noch nicht abschliessend geklärt.

Das Gros des Teams liess sich von der Privatfehde nicht beeindrucken. Das war auch dem Ex-Bitzianer und heutigen Maskottchen Sidi zu verdanken, der ein paar Tage vor dem Cupspiel gegen die heissblütigen Südamerikaner tief ins SRF-Archiv griff und verwackelte, verpixelte Bilder des Serge-Sellan-Cupfinals aus dem Jahr 2009 hervorkramte. Darauf zu sehen waren beeindruckende Szenen von heutigen Teamstützen der Energie (damals AC Mittelland): technisch hochstehende Spielzüge (Spahr), Glückstreffer (Heimlicher), FKK-Jubel (Heimlicher) und kaltblütige Game-Winning-Tore (Ledermann). «So motiviert man ein Team vor einem Cupknüller», liess Sittens Präsident CC sodann verlauten.

Der Start ins Pokal-Viertelfinale misslang der Energie dennoch. Das britische Wetter mit Rekord-Gegenwind trug seines dazu bei. Aber auch die Kampfeslust war nicht auf gewohnt hohem Niveau. Verdient, wenn auch unglücklich, kassierte die Energie in Hälfte eins zwei Gegentreffer. Das gesamte Team befand sich im Tiefschlaf: vorne harmlos, in der Mitte überhastet, hinten fehleranfällig.

Erst ab der sechzigsten Minute rafften sich die Mannen auf. Nach einem Einwurf lenkte Bühler den Ball neben dem verdutzten Pichangueros-Torhüter vorbei. Zehn Minuten vor Schluss wuchtete Kleiner das Runde unter die Latte. Und so stand es plötzlich 2:2. Ein Resultat, das insbesondere die YB-Anhänger im Team vermeiden wollten, weil im benachbarten Wankdorf bereits das Europacup-Spiel gegen eine Liechtensteiner Auswahl lief. Das Penaltyschiessen wurde dann noch um weitere Minuten verzögert, weil der gegnerische Torhüter einen Kindsentführungsalarm ausrief. Sein Sohn konnte den Kick wohl einfach nicht mehr ab – und zog deshalb von dannen.

Gut für den kleinen Knaben, dass er wenige Minuten später wiedergefunden wurde. Er wurde so Zeitzeuge des einleitend erwähnten Penaltydramas. Jeder der 15 Bitzianer – Aushilfstorwart Azizi ausgenommen – musste vom Punkt antreten. Die meisten empfanden es als Qual, verwerteten aber sicher. Der chilenische Gegner hielt lange Schritt – bis Dräyer kam. Wohl von seinem Quasi-Namensvetter Dreyer (Midtylland) inspiriert, der zwei Wochen zuvor den Young Boys die Champions-League-Träume vermasselte, versenkte er das Leder dermassen trocken in die linke Ecke, dass der gegnerische Torhüter keinen anderen Ausweg mehr wusste als den Ball eine Minute später an den Pfosten zu knallen. Der Jubel bei der Energie kannte keine Grenzen, es kam zu nicht Corona-konformen Annäherungen – wohl im Wissen darum, dass das Team ein paar Tage später sowieso wieder in Quarantäne sein würde. Auch dort liesse sich träumen: vom ersten Titel seit dem Serge-Sellan-Cup. Viele damalige Helden sind noch dabei und wissen, wie es geht. Pärkli Boys, OBU, Cojones/Märzen: Macht euch auf was gefasst! Im Frühjahr 2021 könnte sie schlagen, die Stunde der Energie.


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